"Hauptsache selbst-bestimmt."
Nadine Sommerauer und die Quermalerei.
Im Januar 2015 hat Nadine Sommerauer ihren Laden „Quermalerei“ gegründet. Dort verkauft sie selbst erstellte, kunstgewerbliche Gegenstände, Bekleidungsstücke und Kissen, sowie auch Schokolade und Wein. Außerdem bietet sie individuelle Näh- und Zeichenkurse an. Ihre Passion ist aber das Malen und Freie Zeichnen und sie experimentiert gerne mit neuen Materialien. Wir besuchen die Mutter einer fünfjährigen Tochter in ihrem winzigen Laden und trinken gemütlich Tee mit ihr.
War es schon immer dein Wunsch, einen eigenen Laden zu führen?
Nadine Sommerauer: Das hat sich einfach so ergeben. Früher hätte ich mir das gar nicht vorstellen können. Die ganze Verantwortung und so ... Nach dem Studium war mir ein fester Job als Einstieg ganz lieb, schon wegen der Sicherheit, auch der finanziellen Sicherheit. Ich komme ja ursprünglich aus dem Münsterland und habe dann da bei einem mittelständischen Unternehmen angefangen. Dort blieb ich fünf Jahre. Und dann sind wir umgezogen, weil mein Mann hier in Wuppertal eine neue Stelle bekommen hat. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich gerade schwanger und es war klar, dass ich nicht mehr bei der alten Firma weitermachen wollte, sondern mir etwas Neues suchen musste. Das hat dann auch geklappt und ich war drei Jahre in Düsseldorf als Modedesignerin beschäftigt. Als sich dort allerdings das Arbeitsaufkommen immer weiter steigerte, habe ich mir gesagt, dass ich das mit dem Kind nicht schaffen kann. Ich konnte einfach nicht so flexibel sein. Ich habe mich dann also entschieden, zu kündigen. Im Dezember 2014 habe ich dort aufgehört und übergangslos im Januar diesen Laden geöffnet. Die geringe Miete machte es dann zum Glück möglich, dass ich direkt schwarze Zahlen schreiben konnte.
Womit machst du denn hier die meisten Umsätze?
Am besten gehen meine Nähkurse. Ich habe mit Zeichenkursen angefangen und dann fingen die Leute an, nach Nähkursen zu fragen. Damit habe ich dann also später angefangen. Die sind jetzt gut besucht. Und an zweiter Stelle kommt das Online-Geschäft. Ich habe auch zusätzlich vier Quadratmeter Ausstellungsfläche in Elberfeld, damit mache ich guten Umsatz. Und dann gehe ich auch noch auf Märkte und verkaufe dort meinen Schmuck. Nebenbei biete ich ja auch zugekaufte Produkte an, mit denen ich einen guten Zuverdienst habe. Auf den Märkten ist das aber auch immer so eine Sache, denn auf den Märkten, auf denen man viel verdient, muss man auch hohe Standkosten zahlen.
Hast du dir das so im Vorfeld vorgestellt?
Also, dass das mit den Bildern schwierig werden würde, das wusste ich. Mir war klar, dass es nicht einfach ist, meine Bilder zu verkaufen und ich erst einmal gucken muss, wie man sich einen Namen macht.
Malen ist also das, was du am liebsten machen würdest?
Natürlich. Ich hätte mich damals am liebsten hingesetzt und hätte nur gemalt, und zwar ganz frei. Denn man guckt ja schon ein bisschen herum und lässt sich vom Markt beeinflussen. Mein Mann sagt ja auch immer mal wieder: „Guck doch mal hier, kannst du nicht auch so malen? Das verkauft sich wenigstens.“ Aber das will ich nicht. Ich will ich selbst bleiben. Es ist zwar manchmal schwierig, sich durchzusetzen, aber ich male trotzdem so weiter, wie ich es gut finde. Ich will mich nicht verstellen, nur um etwas verkaufen zu können. Das darf nicht im Vordergrund stehen. Anfangs hätte ich hier am liebsten nur ein Atelier eingerichtet, denn eigentlich wollte ich ja immer die Malerei betreiben. Nach der Ausbildung zur Textilmustergestalterin habe ich ein paar Jahre gearbeitet, bevor ich mich damals entschieden haben, zu studieren. Und die Aufnahme dort bestand dann aus einer Zeichenübung. Das war ideal für mich. Überhaupt wurde im Studium viel gezeichnet.
Es ist ja auch schön, mit der Mode eine berufliche Alternative zu haben, die ja nicht ganz artfremd ist.
Ja genau. Es macht auch Spaß, die Kurse zu geben und dabei seine Erfahrungen zu machen.
Hast du manchmal gedacht, ich gebe auf und will gar nicht mehr malen?
Nein, das habe ich nie gedacht.
Was ist deine Motivation?
Meine Motivation? (Sie denkt nach.) Ich bin eigentlich der Typ, der immer etwas tun muss. Wenn ich gerade eine Aufgabe erledigt habe, dann denke ich schon an das nächste Projekt. Hauptsache kein Stillstand.
Stillstand ist der Tod. Und man will sich ja auch immer wieder verbessern. Irgendetwas treibt einen an. Natürlich will man auch erfolgreich sein und Anerkennung bekommen, aber die größte Motivation ist für mich, dass mir meine Arbeit Spaß macht und dass ich selbst entscheiden kann, welche Schritte ich als nächstes machen will. Die Selbstbestimmtheit ist mir sehr wichtig. Wenn ich das so vergleiche mit dem, was ich früher gemacht habe, wird mir das sehr deutlich. Früher musste ich machen, was mir ein Vorgesetzter sagte, das war einfach so, und das ist nun anders. Jetzt bin ich selbstbestimmt und es liegt an mir und meinen Entscheidungen, ob ich erfolgreich bin oder nicht. Wenn ich scheitere, dann liegt das eben auch an mir, es ist dann auch meine Entscheidung.
Du bist also zufrieden und hast für dich den richtigen Weg gewählt?
Ja. Ich würde es auf jeden Fall wieder so machen und mache ja auch weiter. Und ich will mich noch vergrößern.
Hast du noch die Zeit dafür? Du kümmerst dich ja auch um deine kleine Tochter?
Meine Tochter geht nächstes Jahr in die Schule und ich hätte dann schon ein Stündchen mehr Zeit. Wesentlich mehr Zeit also nicht. Die Vergrößerung wäre definitiv ein größeres Risiko, weil ich auch Leute bräuchte, die mit ins Boot steigen, für die ich dann ja auch verantwortlich wäre. Ich brauche Mitarbeiter, um die Öffnungszeiten zu halten, denn ich muss dann länger offen haben als bisher. Das ist schon ein großer Schritt für mich. Da gehen wir dann auch ins Risiko, erst einmal das finanzielle Risiko und dann die Verantwortung, die man damit hat. Aber ich denke schon, dass das klappen wird, denn man sieht schon eine stetige Entwicklung im letzten Jahr und ich schreibe ja auch schwarze Zahlen.
Von deinem Mann wirst du ja auch unterstützt.
Ja. Der ist gedanklich voll drin und plant auch mit.
Hast du hier irgendwelche Rückzugsorte?
Wir wohnen ja hier um die Ecke. Die Räumlichkeiten habe ich genommen, weil es so nah ist. Zum Rückzug bleibt mir momentan wenig Zeit. Das muss ich ehrlich sagen.
Denn ich denke, dass ich stundenmäßig mehr arbeite, als vorher, es ist einfach nur anders aufgeteilt. Ich habe morgens mehr Zeit und bringe dann die Kleine in den Kindergarten, aber abends, wenn sie schläft, mache ich dann auch noch weiter. Früher bin ich mit der Bahn nach Hause gefahren und dann war für mich auch geistig Feierabend. Das ist überhaupt nicht mehr so. Man plant ständig, auch mit meinem Mann überlege ich ununterbrochen, was ich machen soll.
Da braucht man aber doch zwischendurch auch mal ein wenig Ruhe. Malst du dann?
Ja genau. Ich versuche dann, Zeit zum Malen zu finden. Das bringt mir dann die Freude. Das stimmt. Aber ansonsten kann ich mich wenig zurückziehen. Ich gehe regelmäßig mit unserem Hund spazieren. Den nehme ich oft mit hierher und dann fordert er es auch ein, dass ich spätestens um zwei Uhr mit ihm rausgehe. Aber Rückzugsorte habe ich nicht. Doch ich habe Phasen, in denen ich mich zurückziehe und nur zeichne, das entspannt mich auch. Das ist so, weil ich dann auch völlig abschalten kann.
Was ist dann dein Thema?
Ich hatte hier mal die Schwebebahn in Öl und mehrere Wuppertal-Bilder. Aber ich versuche, davon wegzukommen. Ich möchte dieses Wuppertal-Thema nur noch unterschwellig verwenden. Ich hatte das mal ausprobiert, weil man schon hin und wieder denkt, vielleicht kann man das hier doch mal verkaufen, aber das möchte ich jetzt nicht mehr. Momentan arbeite ich an einigen Collagen. Da probiere ich gerade viele verschiedene Techniken aus. Das Papier habe ich selbst collagiert und mit Lack, Acryl und Öl bearbeitet. Ich probiere eben noch viel aus. Ich mische zum Beispiel unterschiedliche Farben an und vermische unterschiedliche Techniken, um neue Optiken zu erzeugen. Das ist so mein Ziel: Neues auszuprobieren.
Glaubst du, dass du irgendwann die ideale Technik für dich gefunden hast?
Ja. Aber da bin ich noch nicht angelangt. Das ist noch ein langer Weg. Ich bin so noch nicht zufrieden mit mir, aber das treibt einen auch an.
Wäre eine eigene Ausstellung dein nächstes Ziel?
Ja, eine, in der es einmal nur um meine Bilder geht. Letztens habe ich in der Künstlerkolonie ausgestellt, da waren wir zu neunt. Jeder hatte dann sein Eckchen und hat da seine Bilder ausgestellt. Das war schon schön. Mein Ziel ist aber natürlich, mal eine eigene Ausstellung zu machen, in einer schönen Atmosphäre.
Bietet Wuppertal die Möglichkeiten dazu?
Es gibt schon einiges hier. Im Rathaus gibt es zum Beispiel eine Ausstellungsfläche, in der Künstler auch einmal einem Publikum ihre Arbeiten zeigen können, das nicht unbedingt etwas mit Kunst zu tun hat. Und es gibt den Mirker Bahnhof, da passiert zur Zeit ja auch viel und man kann sich dort für Ausstellungen einmieten. Oder der Ölbergmarkt, dort hatte ich letztens auch nur Bilder dabei und nichts Kommerzielles.
Du hast dieses Jahr das erste Mal an der WOGA teilgenommen. Würdest du da nächstes Jahr wieder in deinem Laden ausstellen? Immerhin lenkt dort vieles von deinen Bildern ab.
Ich würde es wieder im Laden machen. Entweder hier, wenn ich noch da bin, oder eben in meinem neuen Laden. Verkauft wird bei der WOGA ja nicht so viel und meine Bilder stelle ich ja ab und an auch woanders aus.
Wie fängst du morgens deinen Tag an?
Mit Kaffee. Den brauche ich. Ich bekomme morgens immer Kaffee von meinem Mann ans Bett gebracht. Manchmal bleibe ich dann noch im Bett sitzen und er muss die erste Runde mit dem Hund drehen. Morgens ist es wirklich entspannter. Früher musste ich noch zur Bahn rennen, jetzt kann ich die Kleine in Ruhe zum Kindergarten bringen und um zehn Uhr schließe ich dann erst den Laden auf. Das ist schon sehr entspannt. #
Mittlerweile hat Nadine Sommerauer es geschafft und sich vergrößert. Ihr neues Ladenlokal befindet sich nun in der Engelnburg am Platz der Republik, Deweerthstraße 2.
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